Bei Praschl gab es aufgrund eines Postings zu Sex and the City (SatC) eine längere Diskussion, zu der ich hier was nachschieben möchte. Nochmal im Originalton:
»Dass "Sex and the City" in Deutschland nicht wirklich verstanden wird, liegt daran, dass man in einer Durch-und-Durch-Mittelschichtskultur mit soziologischer Pornographie wenig beginnen kann. Und dass hier deswegen kaum einer mitbekommen kann, dass der Sex in Sex and the City eher darin steckt, wer mit wem sich wo trifft, als was sie dann miteinander tun. Sex and the City setzt ein Publikum voraus, das in Städten lebt - und wo fände man das in Deutschland? Es hat hierzulande ja auch nie einen Balzac gegeben.«

Um Sex and the City und den Erfolg dahinter zu verstehen muß man nur die zwei Teile des Titels betrachten: "Sex sells" gilt schonmal ohne Einschränkung. Speziell in einem durch und durch puritanischen Medienland wie den USA ist eine Sendung in der es regelmäßig zumindest Softcore gibt eine Sensation, unabhängig vom Kontext. Natürlich läuft SatC nur auf PayTV (HBO), man darf nicht vergessen, dass auf den zwischen 50 und 200 frei zugänglichen Kabelkanälen nicht mal die Worte Shit, Fuck, Dick, Cunt etc. benutzt werden dürfen, von der Darstellung einer Frauenbrust gar nicht zu reden. In Deutschland ist mehr Sex im Werbeblock im ZDF um 18:20 als in den USA die ganze Woche auf allen Kanälen. Ob die Darstellerinnen (u.a. Sarah Jessica Parker, die sich übrigens nicht auszieht, und Kim Cattrall) wirklich die Sexsymbole sind als die sie hier verkauft werden muß jeder selbst für sich entscheiden.
Dass SatC in New York spielt verleiht der Serie sicher einen ganz eigenen Charakter und die Stadt spielt fraglos eine tragende Rolle, aber ich bezweifle, dass das ihren Erfolg entscheidend ausmacht.

»Sex and the City setzt ein Publikum voraus, das in Städten lebt« ist so sicher nicht richtig, SatC ist ein Erfolg in weiten Bereichen der USA (den Bible Belt mal nicht mitgerechnet) und wieviele der Zuseher leben wirklich in Städten? Vieles was hier als Stadt bezeichnet wird ist gradmal so urban wie ein Einkaufszentrum in Deutschland oder Österreich, das was hier gemeinhin abfällig als Sprawl bezeichnet wird. D.h. die Amerikanische Durch-und-Durch-Mittelschichtskultur schaut sich SatC mit einer ähnlichen Sehnsucht an wie es der Prokurist in Ratingen tut - einmal in der Großstadt leben und eine Frau wie Kristin Davis abschleppen.
Ob es in Deutschland echte Städte gibt? Sicher keine wie New York oder London, über Berlin und Frankfurt mag ich nicht urteilen. Ob es echte Städte braucht um Kultur zu produzieren bezweifele ich. Dass es in Deutschland nie einen Balzac gegeben hat ist so richtig, aber was sagt das schon aus? Genausogut könnte man jetzt anfangen Literaten aufzuzählen, die von ihrer Umwelt geprägt waren, ohne dass aus jeder Zeile die Großstadt herauszulesen ist (z.B. Kerouac, Hemmingway).

Ist SatC "soziologische Pornographie"? Ich halte es eher für eine SitCom mit Sex, unbestritten dabei, dass jede SitCom eine soziologische Komponente hat, aber man kann auch bei Al Bundy versuchen die Verzweiflung der unteren Mittelschicht in Amerikanischen Vororten großer Städte zu analysieren. Man hat gesehen wie z.B. Ally McBeal erfolgreich immer mehr auf das Thema Sex fokussiert wurde (ab der 2.Staffel blieben die angenehm abstrusen Rechtsfälle immer mehr auf der Strecke, zugunsten von mehr Beziehungsverstrickungen) und daraus gelernt. Mit den weiter gesteckten Regeln des PayTV ist es dann ein Leichtes am Reißbrett eine Serie wie SatC zu konstruieren. Ich traue Amerikanischen Fernsehautoren durchaus zu, zu verstehen wie man soziologische Besonderheiten einer Großstadt in so ein Konzept einbauen kann, aber dahinter eine Message zu vermuten ist eindeutig zu weit gegriffen.
Wens interessiert: http://www.hbo.com/city/

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